Baltikum: Riga & Tallinn

 

 

>Eine Stippvisite im Baltikum<

Riga & Tallinn: die beiden nördlichsten Hansestädte

Seit 2004 sind die drei > baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland Mitglied der EU.

Bisher endete der Ostsee-Raum für uns eher in Usedom. Von Sankt Petersburg mal abgesehen. > Siehe Bildreport. Das mußte geändert werden. Zumal ja zur Sommer-Sonnenwende die Zeit der  >Weißen Nächte anstanden. Die sich ja nicht unbedingt auf Pedrograd oder Helsinki beschränken. Leider hatte es der Wettergott etwas anders vorgesehen. Während in Deutschland eine Sommerhitze brütete, versank das Baltikum eher in Regenschauern und kühlen TemperaTrum en. Pech gehabt. Aber trotzdem! Wir wollten uns ja nur auf die beiden  Hauptstädte Lettlands und Estlands konzentrieren. Und, um es gleich zu sagen, es hat sich gelohnt.

Riga & Tallinn – was unterscheidet die beiden Städte?

Beide Städte und damit natürlich auch Land und Leute haben uns begeistert. – Worin unterscheiden sie sich  nun? Riga und Tallinn. Beide sind Hansestädte. Beide sind mit der >Hanse und damit auch der deutschen Geschichte eng verbunden. So, wie auch der russischen. Und die Nähe zu Rußland wird hier mehr als deutlich. Vor allem heute. Ehe wir auf die Städte im Einzelnen eingehen, sei eine ‚mehr als deutlich spürbare‘ Gemeinsamkeit erwähnt. Beide Städte, genauer gesagt, deren Altstädte sind ‚kopfstein-gepflastert‘. Und zwar echter Kopfstein, Jahrhunderte alter Kopfstein. Wohl von unzähligen, eisenbereiften und  schweren Wagenrädern malträtiert. Die Straßen sind vorrangig ‚ausgefahren‘, sprich gewölbt. Warum wir das erwähnen? Nun, wer die Städte erkundet, wird wohl in aller Regel zu Fuß unterwegs sein. Und selbige erinnern spätestens nach 1-2 Tagen schmerzhaft an den dadurch verursachten Stress. Jeder Orthopäde wäre sicher happy, denn um Kundschaft muß er nicht bangen. Also: ganz bestimmt nix für Stöckelschuhe aber auch nix für Flip-Flops. Denn die Abstände der Pflastersteine sind teils schon recht heftig.

Beide Städte haben eine Alt- und eine Neustadt

OK – was eint noch. Beide Städte besitzen mittlerweile eine ‚Neustadt‘, die sich in keinster Weise von Städten West-Europas unterscheiden. Die typische Mischung aus alten Plattenbauten (Sowjetzeit) und gesichtslosen Neubauten. Quadratisch, praktisch, gut. Beide Städte sind infrastrukturmäßig und kommunikationstechnisch auf neuestem Stand. Digitalisierung ist hier kein unbekanntes ‚Neuland‘. Digitales Bezahlen oder ÖPNV-Nutzung sind Selbstverständlichkeiten. Kann Riga mit dem wiedererwachten Glanz z.B. einer Art-Deco-Architektur punkten, zeigt Tallinn ausgesprochenes Talent, aus alten Strukturen, neue, zeitlose und vor allem junge Architektur vorzuweisen.

Doch der Reihe nach. Beginnen wir in >Lettland.

> Riga:

Die größte Stadt des >Baltikum. Riga liegt einerseits am Fluß > Düna aber auch an der Ostsee, der >Rigaer Bucht. Gegründet bereits 1201 als kleine Siedlung am Fluß Ridzene (dt. Riege), daher der Name > Riga. Das Flüsschen wurde später zugeschüttet und existiert nicht mehr. Riga war schon im 13. Jhdt. bedeutende Handelsstadt und im Zuge der ‚Osterweiterung‘ durch die katholische Kirche, betrieben aber auch mit ihr konkurrierender kirchlicher Organisationen, wie des >Deutschen Orden, nahm insbesonder der Einfluß des Papstes als auch des deutschen Kaisers (hlg. röm.Reich) große Bedeutung. 1522 schloß sich Riga bzw >Livland der Reformation an. Land und Stadt waren aber stets ein Spielball von Dänemark und Schweden. Seit 1721 gehört Riga (mit Lettland und Estland) zum Zarenreich. Interessant z.B.: es gab für die Korrespondenz im ‚militärischen Bereich‘ eine offizielle russische Staatskanzlei. Und für die Komunikation im Handelsbereich eine deutsche Kanzlei.  Wer ausgeprägteres Interesse an der lettischen Geschichte hat, dem sei ein Ausflug in die Weiten von > Wikipedia empfohlen.

>Die Altstadt:

Der Hauptbahnhof und Busbahnhof liegen quasi an der Nahtstelle von Neu- und Altstadt. Von dort kommend, fällt als erstes das pittoreske > Schwarzhäupterhaus, als schönes Beispiel baltischer Backsteingotik, und quasi gegenüber das Rathaus mit einem ‚herausragenden‘ Glockenturm nebst Glockenspiel auf. Ein Stück weiter dann das Gebäudeensemble > Die Drei Brüder und wieder ein kleines Stück weiter am Domplatz der >Rigaer Dom. In seinem Inneren wie vor allem im angrenzenden Kreuzgang wird die ‚deutsche Vergangenheit‘ besonders deutlich, nicht zuletzt dokumentiert durch eine Skultptur des Stadtgründers > Bischof Albert von Buxhoeven. Die >Domorgel (Walcker-Orgel)  ist, zumindest optisch (und zu bestimmten Zeiten natürlich auch akustisch erlebbar)  beeindruckend und galt damals als die größte der Welt. Die Orgel im Hamburger Michel ist übrigens auch eine Walcker-Orgel. –

Witere Highlights in Riga:

Nein, das wird jetzt kein Reiseführer. Wir wollen nur die für uns wesentlichen Highlights erwähnen und im Bildbeitrag vorstellen. – Nicht nur ein optischer Hingucker ist die > St. Petrikirche, insbesondere durch ihren Turm – als auch durch ein kleines nebenan stehendes Skulpturenensemble, ein Geschenk der Partnerstadt Bremen: die bekannten Stadtmusikanten. Unten am Flußufer erreicht man das >Rigaer Schloß, heute Sitz des Staatspräsidenten. Nahezu an jeder Ecke stößt der Besucher auf ein herausragendes Gebäude. Sei es der > Pulverturm, das > Freiheitsdenkmal und -statue, die > Große Gilde, die > ortodoxe Christi-Geburt-Kathedrale und, und….

> Ausgehen und Essen in Riga

ist offengestanden ein Problem. Denn man weiß einfach nicht, wo anfangen, wo aufhören. Die ganze Altstadt hat was von, ja wovon wohl, klar: von Düsseldorfer Altstadt. Denn es reiht sich quasi Kneipe an Kneipe. Vom 4-Sterne-Restaurant ( beispielsweise das >Domini Canes  nahe der Petriekirche oder das > Leiburgs im gleichnamigen Hotel) bis zum Selbstbedienungsrestaurant (interessant und empfehlenswert das >Lido , in der Kramu iela – das ist eine Restaurantkette in Riga) ist alles vertreten. Besonders schön: die Außengastronomie auf Plätzen und in Gassen – oft mit Livemusik. Und wer sich nu‘ garnicht einigen kann, dem wird im > Zentralmarkt, direkt hinterm Bahnhof, geholfen. Und das ganz frisch direkt vom Fisch-, Fleisch- oder Gemüsehändler. Auch hier fast alle Geschmacksrichtungen vertreten. Hat ein bisschen was von  Garküchen. Russisch natürlich dominant. Have a look and a taste. Labu apetíti !

Riga – Schwarzhäupterhaus

 

> Jurmala – Riga’s Ostsee-Lido:

Was der Lido für Venedig ist Jurmala für Riga. Oder eine Erinnerung an die Kaiserbäder auf Usedom. Gut 25 km von Riga entfernt, also ca. 20 Minuten per ÖPNV erreicht man den größten Sandstrand oder Kurort des Baltikum. > Majori ist das Zentrum dieser Bade- und Kurregion. Fast unmittelbar am Bahnhof (Station Majori, direkt am Flüsschen > Lielupe gelegen) beginnt eine ‚Shopping-Arkade‘, entlang unzähliger Bars, Cafes, Restaurants und Shops, von ‚Souveniri‘ bis Modeboutique. Dazwischen gestreut viele Holzvillen in russischem Stil, von edelst bis zweckmäßig.

Majori’s ‚Hauptstraße‘:

Der Boulevard ( Jomas iela ) läuft auf die russisch-orthodoxe  >Kirche der Kasaner Gottesmutter zu. Direkt dahinter liegt der > Dzintari-Waldpark. Wem es also unter der Ostsee-Strand-Sonne zu heiß sein sollte, der findet hier eine schattige Ruheoase. Biegt man an der Kathedrale nach links ab, erreicht man nach wenigen Minuten einen langen Sandstrand. Mit allem was dazu gehört. Von Strandbars bis Sonnenschirmchen. Sieht dann in > Sassnitz garnicht viel anders aus. Rechts das Meer, dann der Strand und dahinter der Kiefernwald.

> In der Alberta iela: Riga’s Art-Deco Viertel:

Angeblich stehen über 800 Jugendstilgebäude im Herzen Rigas. Sie wurden im sog. Stil der > Nationalen Romantik, einer Weiterentwicklung des Jugendstils, errichtet. In der Straße Alberta iela findet man sie ganz konzentriert zu beiden Seiten dieser Straße. Nein Herr > Gaudí war nicht hier. Ende der 1800er Jahre fand dieser Stil seine Ausbreitung in nahezu ganz Europa. Bis auf ganz wenige Gebäude sind inzwischen alle Häuser aufwendig restauriert. Zumindest die Straßenfronten incl. der Treppenhäuser. Innenhöfe und Rückseiten sind, leider, reiner nackter Backstein geblieben. Aber, gerade im Jugendstil, kommt es ja auf die ‚repräsentative Gesamtansicht‘ an. Und die Wirkweise ist nun mal auf die Straßenfront und die Treppenhaus- und Wohnraumgestaltung ausgerichtet.

Jugendstil-Gebäude in der Alberta iela

Und jetzt per Flixbus nach >Estland:

>Tallinn :

die Altstadt – das Herz der estnischen Hauptstadt:

Von Riga nach Tallinn mit dem > Flixbus für 10 €. Im Prinzip war leider vor lauter Bäumen nicht all zu viel zu sehen. Angeblich ist in Lettland und auch Estland kein Ort weiter als 50 km von einem See oder Moor entfernt. Das war zu erkennen. Die reinste ‚Birken-Seen-Tundra-Landschaft‘. Fehlte nur der Elch auf der Straße.

OK, Tallinn wird dominiert von einem Hügel, dem Domberg. Die Stadt selbst ist quasi zweigeteilt. Die ‚Unterstadt‘ oder auch Neustadt unterscheidet sich kaum von den uns gewohnten Mittelstädten Europas. Einerseits moderne Hochhäuser (so ca. 10 – 15 Stockwerke) andererseits eher gesichtslose ‚Normalarchitektur‘, von alten Fabrikgebieten unterbrochen. Allerdings: die haben es ‚in sich‘ und wir kommen noch drauf zurück. Die andere Seite ist die nahezu unverändert mittelalterlich wirkende ‚Oberstadt‘ um den Domberg herum ‚und oben drauf‘. Seit hunderten von Jahren durch eine gewaltige Stadtmauer geschützt, hat sich der Kern quasi kaum verändert. Deshalb zählt die Altstadt wohl auch zum > UNESCO-Weltkulturerbe. Ein Kollege meinte kürzlich, der die Stadt nur wenige Jahre nach dem EU-Beitritt besucht hatte, daß Tallinn wie eine mittelalterliche Puppenstube gewirkt habe – aber schon total digitalisiert war. Ja, das fällt auf. Digitalisierung auch hier im Alltag allgegenwärtig, von Gastronomie über ÖPNV bis zur öffentlichen Verwaltung.

Die Highlights der Altstadt von Tallinn:

Also jetzt die Altstadt: wird, wie gesagt, von der  > Bischöflichen Domkirche der Heiligen Jungfrau Maria zu Tallinn und dem >Domberg dominiert. Wobei das optisch hervorstechende Bauwerk weniger der DDom als die russisch-orthodoxe >Alexander-Newski-Kathedrale ist. Und der genau gegenüber steht der Regierungs-/Parlamentspalast im > Schloss Toompea. Dem Tallinner Schloß.  Das Schloß selbst war damals auf Anweisung der > Zarin Katharina II ( der Großen) im Stil preussischer Backsteingotik errichtet worden. Vom Rathaus-Platz, dem absoluten Zentrum der Altstadt, erstreckt sich die >Pikk jalg (Langer Domweg), die längste Gasse der Stadt, bis rauf zum Domberg. Der > Rathaus-Platz (Raekoja Plats) wird umrundet von Restaurants und Cafés, ebenso die Pikk. Auf der Pikk selbst sind insbesondere die Gildehäuser incl. der > Großen Gilde zu sehen. Aber auch oben auf dem Domberg steht fast Kneipe an Kneipe. Neben einer Besichtigung der Dom-Kirche ist vor allem der traumhafte Ausblick über die Altstadt rüber zum Hafen und auf die Ostsee zu erwähnen. Die Innen-Ausgestaltung des Doms ist eigenlich eher eine Ahnengalerie (> Wappenepitaphe) des ostpreussich/deutsch-baltischen wie des zaristischen/russischen Adels. Hat optisch etwas von typisch englischen Kathedralen, die ja auch alle mit Ritterorden und -insignien der Adelsgeschlechter ‚überladen‘ sind.

Das Besondere der Altstadt:

Bedingt durch die Berglage und die gewaltige Stadtmauer, wirken – und sind – die Gassen deutlich enger gedrängt als in Riga. Und schon deshalb wirkt die Altstadt eben wie eine kleine Puppenstube. Tallinn’s Altstadt wirkt deutlich touristisch belebter als Riga. Vom Kreuzfahrerterminal und den Anlegestellen der Finnland-Fähren sind es auch nur ein paar hundert Meter. Allerdings lassen die engen Gassen keine großen Touri-Busse zu. Also muß auch manch ein geplagter Tourist per pedes losmaschieren. Wohl die Internationalität – aber nicht nur die – veranlaßt doch zu einer deutlich zu beobachtenden Kritik am Nachbarland Rußland. Und – genau – Rußland ist halt unmittelbar nebenan. Die russische Botschaft ist einerseits durch einen ‚Bau-Gitter-Zaun‘ abeschirmt, der andererseits dann gleich ‚Aufhänger‘ für die Protest- und Ukraine-Sympatiebekundung genutzt werden. Und blumendekoriert wird. Grabblumendekoriert ?! Putin ist absolut nicht wirklich beliebt. Ob es von den internationalen Kreuzfahrttouristen bemerkt wird?? Aber egal. Der Este zeigt seine Meinung. Auch wenn viele seiner Mit-Landsleute durchaus russischer Abstammung sind!

Schaufenster eines urkainischen Restaurants

Bilderbogen Tallinn-Altstadt:

Blick vom Domberg auf die Tallinn-Altstadt

Am Rathausplatz (Raekoja plats) pulsiert Tallinn’s Herz – auch das ‚kritische‘. Ein sehr großer Teil der Bevölkerung hat nun mal russische Wurzeln und Rußland liegt direkt ’nebenan‘:

Tallinn-Neustadt 0.1 oder ‚aus Alt mach neu‘: eine alte Ziegelfabrik und die ehemalige Eisenbahnhallen wurden zum hippen Kultur-/Kunstviertel – die >Telliskivi Creativ City:

Tallin-Neustadt 0.2: das > Rotermann-Viertel – alte Fabrik (Schnaps, Mehl…) jetzt Ausgehviertel mit modernen Lofts, start-ups, Kneipen, Boutiquen:

Die Peripherie: >Schloß Kadriorg (Katharinental), Kriegerdenkmal 1918 >Maarjamäe, >Schl0ß Maarjamäe mit Filmmuseum und Blick auf Tallinn Alt- und Neustadt:

Mit der Straßenbahn raus nach Nord-Ost bis direkt vor den Parkeingang des Schloßes. Schloß Katharinental war eigentlich ein Geschenk des > Zaren ‚Peter der Große‘ für seine Frau >Katharina I. Wurde jedoch von ihr nie bewohnt. Die späteren Zarinen Elisabeth und Katharina die Große hatten es später gelegentlich genutzt. Der umgebende Park war – und ist – zweistöckig angelegt. Heute ist im Schloß das  >Kunstmuseum Katharinental (Kadrioru kunstimuuseum). Vom Schloß führt eine Parkallee bis direkt an das Ostsee-Ufer zum > Russalka-Monument, das an den Untergang des russischen Kriegsschiffes 1893 erinnert. Und einem der besten ‚See-Blicke‘ auf Tallinn’s Altstadt. Dann ein Stück entlang der ‚Uferpromenade‘ gelangt man zur  sowjetischen Gedenkstätte > Maarjamae sowie dem gleichnamigen Schloß. Das Denkmal wurde später ‚um eine Gedenkstätte an die Opfer des Kommunismus‘ erweitert. Maarjamae heißt zu deutsch Marienberg. Das Schloß wurde von einem  zaristischen Grafen errichtet. In den Schloßanlagen befindet sich jetzt das > estnische Filmmuseum.

Schloß Kadriorg (Katharinental)

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.