Von Galizien bis ins Baskenland:
Vom Jacobsweg/Camino de Santiago, dem grössten Naturschutzgebiet Europas: den Picos de Europa und den Störchen von Galizien, Kastilien & Leon und Kantabrien
oder einer >nachhaltigen< Urlaubsreise durch Nord-Spanien.
Die Stationen waren: in Galizien: Santiago de Campostella, A Coruna, Lugo, Villafranca de Bierzo, in Kastilien & Leon: Ponferrada, Astorga, Leon, Burgos, in Kantabrien: die Picos de Europa in Potes und Cosgaya und, last not least, im Baskenland/Biskaya: Bilb(a)o.
Jacobsweg und Picos waren Anlass und Ziel. Der eine, um neugierig zu sehen und vielleicht zu begreifen, was und wo das ist. Das andere die Neugierde auf die spanischen „Alpen“ und ein Stück „nicht vergangene Natürlichkeit“. Vorab gesagt, beide Erwartungen wurden erfüllt. Zwar nicht unsere Erwartungen. Aber das, was uns tatsächlich erwartet hat, war beeindruckender als das, was wir erwartet hatten 🙂
>Jacobsweg/Camino de Santioago: OK, wer Santiago de Campostella nicht erlebt hat, wird nur bedingt verstehen, was die Pilger dort erwartet. Wir auch nicht. Wir waren auch keine Pilger. Aber dabei! Der Himmel bleigrau und nass 🙁 Eine gewaltige Kathedrale, eine nicht enden wollende Schar von frisch eingetroffenen Pilgern. In Regenmänteln und Regenhüten. Müde aber anscheinend sehr zufrieden. Die Kirche zugepackt mit nassen, schweren Rucksäcken. Die Menschen aus allen Teilen der Welt. Und werden von der wohl grössten, ältesten und professionellsten Marketingorganisation der Welt in Empfang genommen: von der römisch-katholischen Kirche. Werden von Hostessen (= Ordensschwestern) in nahezu allen Sprachen begrüßt und an die Hand genommen. An die gewaltige Kathedrale ist ein noch gewaltigerer Konvent angeschlossen. Alle Nationen können hier Gedanken- und Erfahrungsaustausch pflegen, sich „laben“ und „beichten“. Denn der Ablass ist ja garantiert. Ob man will oder nicht. Und das seit hunderten von Jahren! Was dagegen ist schon ein Assessment-Center? Als Nicht-Pilger waren wir eigentlich fehl am Platz. Unpassend. Aber haben es „miterlebt“. Allen „Lesern“ sei das Buch von Herrn H.P.Kerkeling empfohlen. Er hat in seiner Darstellung sicher völlig recht. Was ist für den Einzelnen die Motivation zu solch einem Marsch? Ganz egal und geht mich auch nichts an. Sei es nun die 800km von der französischen Grenze an oder nur die „restlichen 100 km“ von z.B. Leon aus. Ich denke, in vielen Fällen neben dem Glauben sicher der „psychologisch motivierte“ Versuch, Ruhe, Abstand, Erneuerung zu finden. Und in vielen Fällen die sportliche Herausforderung. Wie ein Marathon-Lauf durch Pusemuckel oder New York. Was es auch sei: wer das Land, den Weg, die Menschen und letztendlich natürlich das „zufriedene“ Ende in der Kathedrale von Santiago erlebt hat, spürt, dass dieser „Weg“, diese Aktion etwas Besonderes ist. Wir hatten bewusst die umgekehrte Richtung des Weges gewählt. Und wollten und konnten sehen, was da „so ein bisschen“ dahinter steckt.
Die Pilger begegnen einem quasi im fünf-minuten Takt. Fuss-Pilger in der Regel alleine, Fahrrad-Pilger häufig zu zweit oder in Gruppen. Fuss-Pilger in eher fortgeschrittenem Alter. Fahrrad-Pilger meist jünger. Fuss-Pilger ganz oft deutsch, französisch, amerikanisch und recht oft ! japanisch. Fahrrad-Pilger sehr oft holländisch, skandinavisch oder amerikanisch. Gut, das ist keine offizielle Statistik. Aber unser Eindruck. Die Wegstrecke in vielen Fällen ein Traum. Vor allem für die Fussgänger. Die Autostrassen für die Radfahrer muteten oft gefährlich, weil eng, an. Aber die Pilger müssen ja auch durch die Städte, durch die Industrie-Vorstädte oder entlang ätzend langweiliger Ausfallstrassen. Und die Sonne nicht zu vergessen! Man geht über die Wanderwege, durch Heidelandschaften, karge Vorgebirge oder sieht die schneebedeckten Berge z.B. der Picos in Kantabrien, erfreut sich am blühenden Heidekraut (in dieser Jahreszeit), dem ebenfalls blühenden Lavendel oder lauscht dem Singen der Vögel und hört sonst: nichts!! Natur pur!
OK, so weit die kurzen Eindrücke zum Jacobsweg. Wer sich vertiefend informieren will, für den gibt es ein Fülle ausführlicher Literatur. H.P.Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ beispielsweise. Wir kannten dieses Buch vorher nicht.
Nein, wie gesagt, wir sind nicht gepilgert und werden es wohl auch nicht. Aber ich habe einen riesen grossen Respekt vor diesen Menschen. Und ein ganz kleines Gefühl für den Mythos dieses Weges erhalten.
>Santiago de Campostella ist ein eher mittelalterlich anmutender Ort mit endlosen verwinkelten Gassen, eng zusammengedrängten grauen, trutzigen Häusern und all-überall Jacobsmuscheln. Das Logo des Camino. Der Regen gab dem Ganzen einen durchaus passenden touch. Das grasse Gegenteil: >A Coruna. Türkisblauer Himmel, weiter Blick über den Atlantik, lange Sandstrände. Pulsierendes und hektisches Leben. Aber Pause von 12.00 – 16.30 Uhr! Siesta muss sein. Die Stadt wurde im Krieg, deutscher U-Boot-Hafen in der Nähe (Vigo) leider nahezu gänzlich zerstört. Die kleine Altstadt mit ihren berühmten weissen „Fenster-Fassaden“ blieb erhalten. Und der Wind! Gehört halt zum Atlantik dazu.
Weiter Richtung Westen liegt dann >Lugo. Die ganze Stadt ist ummauert! Von einer gewaltigen römischen Stadtmauer (Las Murallas). Auf dieser muss man einmal um die ganze Stadt gegangen sein! >Villafranca de Bierzo ist ein beschauliches Pilgerstädtchen mit der Kathedrale >Iglesia de Santiago. Erwähnenswerter 🙂 ist der >Bierzo. Ein kleines Weinanbaugebiet an der Grenze zwischen Galizien und Kastilien. Nächstes highlight dann die Templerstadt >Ponferrada. Wir sind schon in Kastilien & Leon. Altstadt auf dem Berg mit der grössten Templerburg ( Castellio de los Templarios) des Landes und natürlich der Altstadt mit romantischer Plaza – und Kirchenglocke im viertelstunden Rythmus 🙁 ! Unterstadt dann zeitlos, modern, hässlich – aber mit Carrefour.
Nächste Station war >Astorga . Auch hier wieder, na was wohl, eine Kathedrale! Catedral Santa Maria (leider geschlossen) und nebenan, weitaus interessanter, der Bischofs-Palast: entworfen und gebaut von Gaudí ! Eine gelungene Symbiose aus der Architektur der Kathedrale und dem eher verspielten Stil Gaudí’s. Und immer weiter westwärts: >León. Eine „richtige“ Grosstadt mit allem was dazu gehört. Pulsierende Verkehrsadern und Einkaufsstrassen, eine Altstadt mit Gassen, Winkeln, Kneipen und Plätzen. Und natürlich eine gigantische alles dominierende Kathedrale: Santa Maria La Regia mit den beiden gewaltigsten Kirchtürmen Spaniens. Die ganze Tour mutete eh an, wie auf den Spuren Ken Folletts „Die Pfeiler der Macht“. Dies wird dann ganz deutlich in >Burgos, ganz im Westen von Kastilien & Leon. Die Kathedrale >Santa Maria gehört zu den wohl schönsten Sakralbauten Spaniens.
Burgos ist die Stadt von <El Cid. Spaniens Natioanlheld, ältester und erster Fremdenlegionär des Landes. Mal Heerführer der Spanier, dann der Araber und wieder Heerführer der Spanier – je nach Honorar. Der Paseo del Espolon ist eine der schönsten und ältesten Flaniermeilen des Landes. Beeindruckend hier
die vielen Kinderwagen schiebenden Opas. Haben noch nie so viele junge Mütter mit Kleinkindern und entsprechend natürlich Baby-Fachgeschäfte gesehen, wie in Nord-Spanien. Muss was mit den Störchen zu tun haben. Aber dazu etwas später 🙂 Hervorzuheben sind des weiteren das >Monasterio de las Huelgas Reales. Einst Lustschloss dann Kloster der strengen Zisterzienser. Wie sinnig. Privatführung unter strengster Bewachung, da wohl staatlich. Und die >Cartuja de Miraflores mit den Grabmählern von Juan II und Isabella von Portugal. Und dann eben, last not least, >Bilbao im Baskenland. Erstmals das Baskenland von Süden aus „betreten“. Tatsächlich: via Autobahn als ob man in den Schwarzwald oder das Allgäu fährt. Sowohl was Architektur als auch die Landschaft betrifft.
>Picos de Europa – Europas grösstes Naturschutzgebiet – zwischen Asturien, Kastilien & Leon und Kantabrien. Wir hatten das Süd-Ost-Massiv, also den kantabrischen Teil gewählt. Hier existiert u.a. die einzige Höhen-Seilbahn auf die high mountains, den echt alpinen Teil der Region. Station war eine Wohnung in einem restaurierten alten Bauernhaus in >Cosgaya bei >Potes. Letzterer ist eher ein Touri-Zentral-Ort für Spanier, die mal Berge sehen möchten. Einen Busausflug machen (pro Tag ca. 20 Busse), lecker Wein trinken, alte Volkslieder singen, vom Animateur angeheizt und dann wohlig wieder nach Hause fahren. Oder die anderen 20 – 40 Busse, die zur Talstation des >Fuente de (Bergstation 1.955m, Fuente de dann ca. 2.600m). Bergwander-weg auf schmalen Graten über Schnee- und/oder Geröllfelder. Von Dohlen begleitet. Berge schneebedeckt, Matten wie in Südtirol aber mit Ziegen und Schafen. Wiesen wie in meiner Jugend. Bunt wie seit fünzig Jahren nicht mehr gesehen. Auch nicht in Bayern oder Südtirol in den letzten Jahren. Ziegenherden in den Bergwäldern nur von einem Hund bewacht. Grrrr. Wuff. Aber ganz brav. Abschnuppern lassen und dann Passiergenehmigung erhalten. Einen Weg mussten wir allerdings wieder auf der gleichen Strecke zurückgehen, da es einfach kein Weiterkommen gab und der Weg zu steil und unwegsam im wahrsten Sinn des Worts wurde. Und zudem ein Gewitter aufzog. Haben das führende Talhotel jedoch vor dem Regen erreicht und eine Cerveza genossen. Zusammen mit dem Hotel-Bernhardiner. Der Ziegenhund hat uns übrigens auf dem Rückweg wieder erkannt und nur müde ein Auge geöffnet: passieren, kenne Euch 🙂 Gelbe Ginsterfelder bzw. –büsche lockerten die Felsfelder pittoresk auf. Und dahinter bzw. darüber hohe schneebedeckte Granitfelsgipfel. Kantabriens 2000er. Irre schön. Und überall kleine Dörfchen, solange man auf dem richtigen Weg bleibt 🙂 mit verfallenen oder funktionsfähigen „Kirchchen“ oder einer kleinen Taverna, mit den obligatorischen kartenspielenden Opis vor der Tür. Und einen Cortado oder Café con leche. Oder gar ne erfrischende Cerveza ?! Urlaub!!
Störche – gibt es in Deutschland auch, klar. Brandenburg oder so. Oder Elbe süd-östlich von Hamburg. Klar. Aber hier!? Hat der Papst bzw. die Kirche sicher ein cleveres Nachwuchs-programm gestartet. Würde sagen, von Galizien bis Kastilien gibt es keinen Kirchturm, der nicht untervermietet ist. Auch und gerade wenn nur noch der Glockenturm steht. Und dem stehen die spanischen Kommunalverwaltungen in keinster weise nach. Telefonverteilmasten, Hochspannungsleitungen, antike römische Säulen z.B. in Leon im dicksten Verkehrs- und Touristenrummel, mitten in der Altstadt von Burgos oder in Schlossruinen. Ganz schön clever. Und für jeden schön anzusehen. Brat mir doch einer nen Storch. Oder besser nicht. Und der spanische Einzelhandel weiss das zu würdigen: diese Fülle an Babygeschäften, Umstandsmoden, Kinderwagenmodelle, Schnuller für vier Wochen, sechs Wochen, zwölf Wochen, etc. ohne Ende. Und Dinge, dich ich nicht kannte und nie gesehen habe. Ist ja auch schon was her, dass ich Zielgruppe war 🙂
🙂 Also, wer neugierig geworden ist: vamos. i Hola !
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